Das Krankenhaus Buchholz setzt ein starkes Zeichen im Engagement gegen häusliche Gewalt: Gestern wurde eine umfassende Schulung des Netzwerks ProBeweis für alle Mitarbeitenden durchgeführt, um die korrekte und gerichtsverwertbare Sicherung von Beweismitteln bei Gewaltopfern zu gewährleisten und weiter dafür zu sensibilisieren. Ziel ist es, Betroffenen bestmöglich zu helfen und die Grundlage für eine erfolgreiche Strafverfolgung zu legen – auch, wenn sie zu diesem Zeitpunkt von einer polizeilichen Anzeige absehen. Die Beweissicherung erfolgt davon unabhängig. Die Beweismittel werden bei ProBeweis aufbewahrt und können auf Wunsch der Betroffenen zu einem späteren Zeitpunkt für eine Strafverfolgung genutzt werden.
Die Notwendigkeit dieser Schulungen wird durch deutliche Zahlen untermauert: Laut Bundeskriminalamt (BKA) wurden im Jahr 2023 in Deutschland 256.276 Menschen Opfer häuslicher Gewalt, ein Anstieg von 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Großteil der Opfer, über 70 Prozent, sind weiblich. Im Bereich der Partnerschaftsgewalt, die einen erheblichen Anteil der häuslichen Gewalt ausmacht, waren allein im Jahr 2023 180.715 Frauen betroffen, das entspricht einem Anteil von 80 Prozent. Expertinnen und Experten gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer aus, da viele Fälle aus Angst oder Scham nicht zur Anzeige gebracht werden. Das BKA zählt sowohl Partnerschaftsgewalt als auch innerfamiliäre Gewalt zu häuslicher Gewalt.
Die Schulung in Buchholz wurde von der Rechtsmedizinerin Sarah Stockhausen vom Netzwerk ProBeweis der Medizinischen Hochschule Hannover gehalten. Rechtsmedizinerin Stockhausen teilte ihre Expertise und langjährige Erfahrung im Bereich der Verletzungsdokumentation und Spurensicherung mit den Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus Buchholz. "Jede zeitnah gesicherte Spur kann entscheidend sein, um eine Strafanzeige auch im Nachhinein zu ermöglichen und Betroffenen Zeit für diese Entscheidung zu geben ", betont Rechtsmedizinerin Stockhausen. "Es ist von größter Bedeutung, dass medizinisches Personal nicht nur die Verletzungen behandelt, sondern auch erkennt und handlungssicher ist, wann und wie Spuren professionell gesichert werden müssen – und zwar so, dass sie vor Gericht Bestand haben. Die Sensibilisierung und das praktische Wissen, das wir vermittelt haben, sind ein wichtiger Schritt, um die ‘Netzwerk ProBeweis-Kultur‘ in den Krankenhäusern zu stärken."
Die Krankenhäuser Buchholz und Winsen sind sich ihrer besonderen Rolle an der Schnittstelle zwischen Medizin und Justiz bewusst. Durch die zentrale Lage und die Funktion als erste Anlaufstelle für viele Gewaltopfer kommt ihnen eine Schlüsselrolle bei der Beweismittelsicherung zu. Die Schulung umfasste daher sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Übungen zur Dokumentation von Verletzungen, zur Spurensicherung und zur rechtlichen Konsequenz der gewonnenen Erkenntnisse.
"Unsere Krankenhäuser sind bereits seit 2016 Partnerkliniken des Netzwerk ProBeweis", fügt Dr. Johanna Lindau, Oberärztin in der ZNA Buchholz, hinzu. "Diese kontinuierliche Zusammenarbeit unterstreicht unser langfristiges Engagement, die bestmögliche Unterstützung für Opfer von Gewalt zu gewährleisten. Seit 2021 gibt es auch eine interne Arbeitsgruppe zu häuslicher Gewalt, in der wir uns regelmäßig interdisziplinär austauschen. Die regelmäßigen Schulungen sind ein wichtiger Refresh und Teil des Kooperationsvertrages mit dem Netzwerk ProBeweis, um unsere Prozesse ständig zu optimieren, unser Personal auf dem neuesten Stand zu halten und zu sensibilisieren."
Marco Ludik, stellvertretender Leiter der Zentralen Notaufnahme (ZNA) am Krankenhaus Buchholz, unterstreicht die Relevanz der Initiative: "In der Notaufnahme sind wir oft die Ersten, die mit Opfern von Gewalt in Kontakt kommen. Die Fähigkeit, professionell und empathisch zu handeln und gleichzeitig die notwendigen Beweise zu sichern, ist für uns daher unerlässlich. Diese Schulung hat unser Team nicht nur fachlich weitergebildet, sondern auch das Bewusstsein für die enorme Bedeutung unserer Arbeit in diesem sensiblen Bereich geschärft. Wir möchten sicherstellen, dass jedes Opfer die bestmögliche medizinische Versorgung und die Chance auf juristische Aufarbeitung erhält."
Die erfolgreiche Schulung ist ein wichtiger Baustein in der kontinuierlichen Anstrengung der Krankenhäuser Buchholz und Winsen, ihre Mitarbeitenden umfassend zu qualifizieren und einen Beitrag zum Schutz von Gewaltopfern zu leisten. Zukünftige Fortbildungen und Aktionen sind in Planung, um die Kompetenzen in diesem Bereich nachhaltig zu festigen und alle Mitarbeitenden in den Krankenhäusern des Landkreises für das Thema zu sensibilisieren.
Das Netzwerk ProBeweis ist online unter www.probeweis.de zu finden.